Was hat einem das Havelland schon zu bieten, außer großen Ansammlungen von Windkraftanlagen, Storchennestern auf Lichtmasten oder Holzpfählen inmitten kleiner Dörfer und viele kleinere und größere Wasserflächen in Form von Seen und Flüssen, die über unzählige Kanäle miteinander verbunden sind? Nun, die dazwischen liegenden Landschaften, weite Äcker und Weideflächen z.B., hübsch hergerichtete Kapellen und Kirchen in den Dörfern, Obstalleen mit alten Pflaumenbäumen und seltenen, längst vergessenen Apfelsorten. Die meisten der im Spätsommer reifen und schmackhaften Früchte fallen jedoch unbeachtet zu Boden.
Am letzten Tag der Sommerferien mache ich mich mit meinem Rad zu einer Tagestour von Groß Glienicke aus auf den Weg in die Provinz gleich hinter Berlin. In einem großen Bogen will ich nach Nauen, vielleicht auch noch etwas weiter fahren. Es ist noch einmal sommerlich warm geworden, da aber durchaus auch mit Regen zu rechnen ist, nehme ich lieber etwas mehr Kleidung in meiner Packtasche mit, als vielleicht nötig wäre.
Ich starte in Kladow, an der Berliner Stadtgrenze. Der sommerliche Tag lockt viele Leute ans Wasser zum Baden und Sonnen und rund um den Groß-Glienicker See ist entsprechend viel Betrieb. Gleich im Anschluss daran erstreckt sich in südwestlicher Richtung der Königswald, den man direkt bis nach Fahrland auf einem einfachen aber gut befahrbaren Forstweg durchqueren kann. Schon bin ich nach nicht ganz vier Kilometern hinter der Stadtgrenze bereits in Krampnitz 'auf dem Dorf', einem kleinen Ort zwischen Wald und Weiden.
GPS-Aufzeichnung der gefahrenen Strecke:
Hier werden u.a. Pferde gezüchtet und zu Springkünstlern ausgebildet und auf dem in Sichtweite des Dorfkerns gelegenen Krampnitzsee liegen verschiedene Boote und Yachten vor Anker. Der kleine Krampnitzsee hat über Lehnitzsee, Jungfernsee und Havel ebenfalls eine recht schnelle Verbindung nach Berlin. Nicht weit entfernt verläuft die Bundesstraße 2 in Richtung Potsdam und parallel dazu ein Radweg, auf dem ich dann den Abschluss des Sees umrunde und an der nächsten Ampel in die L92 nach Norden und in Richtung Fahrland abzweige.
Fahrland und Satzkorn, zwei Orte, die in den vergangenen Jahren viel Zuwachs durch Neuansiedlungen bekommen haben, lasse ich schnell auch wieder hinter mir. Ausgewiesene Radwege gibt es zunächst nur abschnittsweise. Ich will weiter in Richtung Ketzin und halte mich in Satzkorn nur kurz an der Mühlenbaude auf. Windmühlen sind in der Gegend hier gar nicht so selten. Mancher dieser hölzernen Zeugen der Vergangenheit dient dabei, so wie hier, als Blickfang eines Ausflugsrestaurants.
Ich will auf kürzestem Weg weiter über Paretz in Richtung Ketzin fahren und versuche, an dem Bahnhof von Satzkorn die Gleise zu überqueren. Vielleicht gab es hier früher einmal eine Brücke. Jetzt aber endet hier der Weg an einem Zaun und ich muss im großen Bogen zurück durch den Ort und schließlich auf der B273 in die gewünschte Richtung radeln. Kein Radweg zu sehen, doch, nach etwa 2 Kilometern auf der gegenüber liegenden Seite der Straße. Kurz vor den Autobahnauffahrten und wegen der Mittelleitplanke auf der Bundesstraße kaum zu erkennen.
Mir passiert es häufig, dass ich den auf der anderen Straßenseite beginnenden Radweg übersehe und dann länger auf einer Straße fahre, als nötig wäre.
Über Uetz komme ich von den stärker befahrenen Verkehrsadern wieder weg und auf eine Nebenstraße, die dann weiter in Richtung Paretz führt. Ausgedehnte Feuchtgebiete lassen hier nur bedingt eine landwirtschaftliche Nutzung zu. So gab es hier in der Gegend schon immer einen ausgedehnten Obstanbau. So dünn wie erwartet ist der Verkehr dann aber doch nicht. Die Straße führt auch am Schloss Paretz vorbei und dies ist an einem Sonntag wie heute offenbar eine wichtige Ausflugsadresse.
In Ketzin mache ich eine kurze Pause an dem Garten-Restaurant gleich neben dem Anlager der Havel-Fähre, mit der man in Richtung Schmergow übersetzen kann. Die Fähre transportiert in kurzer Zeit eine große Zahl von Motorrädern und anderen Fahrzeugen mit Sonntagsausflüglern. Alte und schön restaurierte Motorräder sind darunter. Viele Leute sind aber so wie ich mit ihren Fahrrädern unterwegs und machen hier Pause bei Kaffee oder Bier und Kuchen oder Fischbrötchen, das Stimmengewirr auf der Terasse des kleinen Imbiss' klingt international. Zumindest holländische und englische Stimmen lassen sich zuordnen. Ausflügler wie ich, die sich die weitere Umgebung Berlins anschauen wollen.
Von Ketzin aus fahre ich durch den Ortsteil Brückenkopf ein Stück entlang des Uferweges entlang der Havel und bald wieder auf der Straße weiter in Richtung Roskow. Leider wird es zunehmend windiger und in der Ferne ziehen bereits dunkle Wolken auf, die sehr nach Regen aussehen. Die Landschaft ist flach und über die Felder kann ich weit über das Land schauen. Vom Bett der Havel entfernt sich die Straße nur allmählich, davon zeugen auch die ausgedehnten Feuchflächen zu beiden Seiten des Asphalts. in Zachow bereitet man sich bereits auf das Erntefest vor.
Es wird windiger und vor allem bläst es kräftig von vorne, während ich mich weiter nach Roskow vorarbeite. Einige Getreidefelder sind bereits abgeerntet und in Roskow kommt mir ein Mähdrescher entgegen, dessen Schneidvorsatz und die sonst weit ausladende Haspel von einem Traktor der Länge nach hinterher gezogen werden. Als sie gerade ihre Arbeit vor dem heraufziehenden Unwetter beendet, donnern sie staubend an mir vorbei, als ich an der kleinen Kirche von Roskow kurz anhalte.
Zwischen Zachow und Roskow gibt es keinen Radweg, nach Roskow ist dann wieder einer vorhanden. An der Verbindungsstraße zwischen Brandenburg und Nauen entscheide ich mich dafür, in Richtung Nauen weiter zu fahren. Brandenburg an der Havel werde ich ein andermal erkunden. Der Wind sorgt für wechselndes Wetter und inzwischen ist es wieder sonniger geworden und warm dazu und weder auf der Straße noch auf dem Radweg ist viel Verkehr. Päwesin liegt offenbar schon viel zu weit außerhalb des Einzugsbereichs der Berliner und die Siedlung Bollmannsruh trägt ihren Namen scheinbar zu Recht. Es ist hier absolut ruhig. An dem netten Café gleich neben dem Kirchplatz in der Mitte von Päwesin mache ich schon wieder einmal Rast. Der Nachmittag ist nun schon weit fortgeschritten, aber es gibt neben einem Becher Kaffee auch noch leckeren Kuchen und in der Sonne lässt es sich prima aushalten.
Von hier aus wähle ich nicht den direkten Weg in Richtung Nauen, sondern eine Nebenverbindung über Bagow und das kleine Riewend am Riewendsee. An dem Gewässer könnte man seine Ferien verbringen und ein Holzverarbeiter bietet am Rande des Ortes seine großzügigen Blockhäuser zum Probewohnen an. Den abgeschiedenen Charakter der Gegend kann man schließlich auch an der Fahrbahn der Straße erkennen, die durch den Wald der Ribbecker Heide hindurch bis nach Klein Behnitz nurmehr aus hochkant und in einem Fischgrätenmuster verlegten Klinkerziegeln besteht. War dies zu Beginn des 20sten Jahrhunderts noch eine Innovation und ein Beweis für die wirtschaftliche Macht der umliegenden Ziegeleien, so ist dieses heute historische und stellenweise sehr uneben gewordene Pflaster für den Radfhrer ein unangenehmer Untergrund.
Die Gegend aber hat eine noch viel weiter zurück reichende Geschichte zu bieten, davon zeugen die Reste eines slawischen Burgwalls zwischen Riewend und Klein Behnitz. In Groß Behnitz, das etwa zwei Kilometer weiter nördlich gelegen ist und das der Chronik zufolge 50 Jahre später als Klein Behnitz gegründet wurde, hatten die Borsigs ihren Familiensitz in einem um 1800 gebauten Schloss, dessen später verarmter Besitzer es mitsamt den Gütern an den Großindustriellen Borsig verkaufte.
Von der Nebenstraße am Rande der Ribbecker Heide komme ich wieder auf die Verbindungsstraße Brandenburg - Nauen zurück, die erfreulicher Weise auch von einem Fahrradweg flankiert wird, der das Radeln angenehm vom Verkehr trennt. Nicht so angenehm ist das Überqueren der Eisenbahnbrücke vorher aufgrund des immer noch böigen Windes, der über die freie Fläche abseits des Waldes ungehindert daherbläst. Die Strecke führt nun zwischen Äckern über etwa 9 km bis nach Nauen und der Landstrich scheint ganz allgemein stärker vom Wind bedacht zu sein, als andere Gegenden. Die große Zahl der Windgeneratoren, die hier in der brandenburgischen Provinz ein markantes Zeichen setzen, deutet jedenfalls darauf hin.
Durch die etwa 2 km vorgelagerte Siedlung Neukammer hindurch komme ich schließlich nach Nauen hinein. Der Bahnhof liegt im nördlichen Teil der Stadt, so muss ich durch das Zentrum mit seinen für Fahrräder unfreundlich gepflasterten schmalen Straßen hindurch. Es ist interessant zu sehen, wie viele der teils alten Fachwerkhäuser hier noch auf Restaurierung warten, wie aber andererseits auch der architektonische Zusammenhang der Innenstadt kaum durch unpassende Neubauten gestört wird. Die Stadt verdient durchaus eine eigene Exkursion zu einem anderen Zeitpunkt, um hier mehr über die Gebäude und ihre Geschichte zu erfahren.
000017 | Kontakt | Startseite | Blog | letzte Änderung: 03.05.2011 © Christian Drews