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Die wenigen Schritte vom Innenhof des Hotels Rex hinaus auf die Straße führen in die sonnenüberflutete, staubige Realität einer westafrikanischen Provinzstadt. Nach der kurzen Nacht in dem schlecht belüfteten Zimmer und einem einfachen Frühstück unter dem Vordach des zweiten Hotelinnenhofs ist das Interesse groß, diese noch fremde Welt näher kennen zu lernen.
Draußen rollen Eselkarren und knattern Mopeds vorbei, klapprige Taxis ächzen und wirbeln Staub auf. Die Straße ist nicht asphaltiert, ist sehr wellig, aber der rötliche Sand bildet eine stellenweise auch feste Oberfläche. Bequem kann man darauf nicht Radfahren, aber für eine kurze Testrunde, um zu sehen, ob die Sattelhöhe passt und die Schaltung funktioniert, reicht es aus.
Die Fahrräder wurden von ihren Verpackungen befreit und, soweit nötig, wieder zusammengesetzt. Schrauben angezogen, Lenker gerade gerückt, Gepäckträger montiert, die Kette nachgeölt, Sättel auf richtige Höhe eingestellt. Luft wurde in die Reifen gepumpt, da der ursprüngliche Druck für den Lufttransport ja abgelassen worden war. Was noch fehlte sollte morgen auf der ersten Etappe unserer Radreise an einer Tankstelle nachgepresst werden.
Jetzt also erste Kontaktaufnahme mit der Welt da draußen. Bis in den Innenhof des Hotel Rex dringt nur wenig von den Geräuschen, die das Leben außerhalb davon mit Überschwang erzeugt. Eigentlich sind es sogar zwei verwinkelte Höfe, denn der Restaurant-Teil liegt neben dem Hoteltrakt in einem Nachbarhof. Überragt wird der zweigeschossige Bau von zwei in ihren Kronen weit ausladenden Bäumen, einem Pommier d'acajou und einem gewaltigen Ficus, die Schatten spenden und einen angenehmen Kontrast zu den weiß getünchten Wänden bilden, die von den Fenstern des umlaufenden Gang im ersten Stock unterbrochen werden.
Draußen gibt es andere Kontraste. Die nicht weit entfernten Marktstraßen quellen vor kleinen Geschäften und offenen Verkaufständen über. Kleine Schneidereien und Tischlereien quetschen sich dazwischen. Manchmal sitzt ein Schneider direkt mit seiner fußbetriebenen Nähmaschine am Straßenrand im Schatten eines Vordachs. Neben sich hat er eine Auswahl seiner Arbeit an die Hauswand oder in eine Nische gehängt. Daneben verkauft ein junger Senegalese hinter einem Abstand wahrenden Tresen und vor einer Wand aus vielen kleinen Schubfächern elektrische Kleingeräte, batteriebetriebene Radios, Akkus, Speicherkarten, Telefonkarten und vieles mehr.
Andere Leute verkaufen gebrauchte Kleidung, die ursprünglich einmal in Europa getragen wurde, neben einem Geschäft, das viele farbige und bunt bedruckte Stoffe und Tücher anbietet aus denen die farbenfrohen Kleider der Frauen genäht sind. An einer Straßenecke verkauft jemand vor einem aus Wellblechen zusammengebauten Verschlag Auto- und Fahrradreifen, bzw. repariert Räder und montiert sie um. Unter einer Art Baldachin, das vielleicht einmal zu einem Hoteleingang gehört haben mag und jetzt als Sonnenschutz für ein improvisiertes Geschäft dient, bietet jemand in schwarze Plastiktüten abgefüllt Kräuter als Pharmacie traditionelle an. Man kann Obst kaufen, Bananen, Orangen in noch gelbgrüner Schale, geröstete Cajou-Kerne, getrocknete Ingwerscheiben, oder die kleinen, trockenen Früchte des Jijibier.
Die Stadt ist verhältnismäßig grün. Es gibt viele alte Bäume, die mit ihren hochgewachsenen Stämmen und mit ausladenden Kronen angenehmen Schatten geben. Und sie ist sehr bunt, auch wenn das Straßenbild auf den ersten Blick eher trist wirkt. Neben dem permanent sich durch die größeren Straßen drängenden Verkehr von Taxen, Kleinbussen und individuellen Buschtaxis sind ganz allgemein viele Menschen unterwegs, manche auf Esel- oder Pferdekarren, die meisten von ihnen aber zu Fuß. Frauen tragen ihren Einkauf oder ihre Ware oft auf dem Kopf, manchmal in einem bunten Plastikeimer, manchmal in einem Korb, manchmal auch auf einer runden Metallplatte. Die kleine Menge Obst, die sie verkaufen möchte, wird häufig auf diese Weise transportiert und die Platte dient dabei auch als kleine transportable Ladentheke.
Viele der Buschtaxis sind weiß lackiert und tragen über dem Kühlergrill eine Segen herbeibittende Floskel wie 'Grâce de Dieu' oder 'Alhamdullilahi', andere sind fantasievoll bemalt, die Nationalfarben Senegals (rot, gelb, grün) kommen dabei sehr häufig vor. An den vielen ziemlich zerbeulten und klapprigen Kleinbussen steht häufig der Assistent des Fahrers hinten auf dem Trittbrett an der Tür und hält Ausschau nach Leuten, die mitreisen wollen, oder zeigt den Passanten an der Straße seine Gewandheit an der Leiter, die zum Gepäckträger auf dem Dach des Kleinbusses führt. Seine Aufgabe ist es aber, den Leuten beim Zu- und Aussteigen zu helfen und auch den vereinbarten Fahrpreis zu kassieren.
Hier so mitten in der Stadt herrscht überall geschäftiges Treiben. Kleintransporter werden entladen, jemand schiebt seinen Karren mit Material vor sich her, bei einem LKW sitzt jemand vorne in dem aufgeklappten Motorraum und schweißt irgendein gebrochenes Gestänge. So etwas wie einen Fußweg neben der Straße gibt es zwar, aber der ist von fliegenen Händlern besetzt, die ebenfalls Obst, Gemüse, manchmal Fisch mit vielen Fliegen oder Tageszeitungen anbieten. Am Straßenrand parken Autos oder Transporter und so ist es kein Wunder, dass man als Fußgänger auf der Straße herumzirkelt und wieder andere Fahrzeuge zu Ausweichmanövern und Hubkonzerten zwingt.
Zum Straßenbild gehören die einachsigen Pferdekarren mit den abgemagerten Tieren die manchmal auf einem Huf lahmen genauso wie der Müll. Es fällt einem schnell ins Auge, was besser zentral gesammelt und beseitigt werden sollte, als lose in den Straßen zu liegen. Auf manchem unbebautem Grundstück auch in größerer Menge. Plastiktüten wie Verpackungsreste, Dosen usw.. Es wundert einen dann schon bald nicht mehr, warum an manchen Stellen über der Stadt die Geier kreisen. Aasfresser und auch Raubvögel scheinen sich ganz wohl zu fühlen und reichlich Beute machen zu können. Neben einzelnen Geiern sieht man häufig auch Milane in der Luft über Thiès.
000020 | Kontakt | Startseite | Blog | Übersicht Laufsport | letzte Änderung: 03.05.2011 © Christian Drews