Fahrradreise in den Südwesten von Burkina Faso
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Sindou liegt etwa 50 Kilometer westlich von Banfora und hat mit seinen mehr als 5000 Einwohnern etwas von dem Flair einer kleinen Kreisstadt, auch wenn man entlang der durch sie hindurch führenden beiden Straßen in Richtung Banfora nach Osten und in Richtung Baguéra nach Südwesten dies nicht so richtig wahrnimmt. Die Ausdehnung des Städtchens findet man abseits dieser Verkehrswege, zumal man sich im ländlichen Burkina Faso von den Vostellungen, die man als Europäer gemeinhin von einer Stadt hat, vollständig verabschieden muss.
Wegen des Sandsteinhöhenzuges und der dort zu bestaunenden Felsnadeln, der etwa zwei Kilometer südöstlich der Stadt die Straße nach Banfora kreuzt, ist Sindou auch von touristischem Interesse.
Die Altstadt, in der wie überall in der Region traditionell mit Lehm und Stroh gebaut wird, erstreckt sich südwestlich der zentralen Straßenkreuzung, gleich hinter dem kleinen gemauerten Gebäude des Vertreters des Regionalgouvernements. Die Häuser oder Hütten sind ähnlich wie man es auch bei allein auf dem Land liegenden Familienhöfen findet, eng nebeneinander angeordnet und manchmal auch mit einer einfachen Mauer teilumschlossen. Dabei haben Wohnhäuser eine rechteckige Grundfläche und sind größer als beispielsweise Hütten, in denen man arbeitet oder kocht und die eine runde Grundfläche haben. EIne Töpferwerkstatt oder die Küche wird man in der Regel in einer solchen runden Hütte finden.
Daneben gehören zu jeder Familie die ebenfalls traditionell in schmaler, runder Bauweise ohne seitliche Öffnung gebauten Vorratsspeicher. Hier wird Hirse oder anderes Getreide gelagert und wenn etwas von diesem Vorrat benötigt wird, dann wird das runde Dach wie ein Deckel abgehoben und man hebt anschließend ein Kind in den runden Raum hinein. Größere Personen haben hier weder Zutritt, noch finden sie genügend Platz für sich in einer solchen Minihütte.
Die Anordnung der Wohn- oder Arbeitsgebäude, gemeinsam mit den kleinen Vorratshütten, finden wir im ganzen Land in ähnlicher Form immer wieder. Mal sind in Zement gegossene Steine die Grundlage des Baus, mal sind es Mauersteine aus Lehm, der oft mit Karité-Fett und Stroh vermischt und dann zu den Ziegeln getrocknet wird, mal sind die Wände einer Hütte schlicht und direkt aus Lehm hochgezogen. Weiter im Zentrum des Landes sieht man dagegen häufig Hütten, die aus stabilen Fasermatten zusammengesetzt wurden. Diese Matten werden aus den Fasern der Blätter der Ronierpalme geflochten und werden als Wände für Hütten und Vorratsbehälter genutzt. Das sieht sehr hübsch aus, besonders wenn das Material noch frisch ist. Deren Haltbarkeit allerdings, gerade wenn man an die heftigen Niederschläge, die während der Regenzeit auftreten können, denkt, ist eher fragwürdig.
Alles was man für den täglichen Bedarf benötigt, wird hier in Handarbeit hergestellt. Oft mit Werkzeugen aus einfachsten Materialien. Vorratskrüge werden auf einer rotierenden Holzscheibe aus Ton geformt und anschließend in der Sonne getrocknet, ine einfache Stoffbahn wird auf einem aus Holzknüppeln improvisierten Webstuhl gewebt. Auf Präzision und Geschwindigkeit kommt es den Menschen hierbei nicht an, was zählt ist die Funktion eines Dinges an sich. So muss man sich nicht wundern, dass praktisch alles, was man gemeinhin als Müll bezeichnen und wegwerfen würde, noch einer Verwendung dienen kann und sei es nur als Spielzeug, wie z.B. drei ausgediente Pappschachteln, die mittels einer aus feiner Plastikfolie dünner Tüten gewebten Schnur zu einer Kette zusammen gebunden sind und die ein kleiner Junge hinter sich her zieht.
An einer zentralen Stelle findet man in jedem Dorf einen Palaverbaum, unter dem die Ältesten sich zusammensetzen und über Probleme beraten, die innerhalb einer Familie allein nicht mehr zu lösen sind. Hier in iesem Teil Sindous befindet sich auch eine motorisch betriebene Mühle in der Nähe dieses Palaverbaums, in der die Leute ihr Getreide oder Mais zu Mehl mahlen, oder Karité-Nüsse zu Öl pressen lassen können. Man sieht eine solche Mühle in vielen der Villages auf dem Lande. Meist ist sie in einem schlichten Lehmbau ohne Fenster untergebracht, in der ein Einzylinder Langhubmotor weithin vernehmlich seinen Dienst tut, an den verschiedene Mahlvorsätze für die verschiedenen Getreidearten angesetzt werden können. Oder eben die Ölmühle.
Sindou ist Zentrum für die Schulbildung der Kinder aus der ganzen Region. Kinder aus der Stadt selbst, aber auch für diejenigen aus den vielen umliegenden kleinen Dörfern und Familienhöfen. Rund 1700 junge Schülerinnen und Schüler besuchen allein die Grundschule, die aus vier größeren Flachbauten besteht, welche sich auf einem mit vielen Schatten spendenden Bäumen bestandenem Gelände von etwa 8 ha Fläche verteilen. Ein Gymnasium befindet sich etwa einen Kilometer außerhalb der Stadt. Die Klassenzimmer haben schmale Fenster, die sich mit metallenen Lamellen verschließen lassen, um das grelle Tageslicht draußen zu halten und die Wärme etwas abzumildern. Manchmal wird der Unterricht auch nach draußen verlagert, werden Aspekte eines bestimmten Themas in lockerer Runde im Schatten eines der Bäume vertieft. Bis über 70 Kinder werden von einem Lehrer betreut und müssen sich in die Bänke eines der dunklen Klassenräume drängen. Sie sind dennoch sehr motiviert, denn wer die Schule besuchen kann, hat immerhin eine kleine Chance, später weiter zu kommen. Es besteht keine Schulpflicht und der Staat kann es sich nicht leisten
Eine interessante Runde von etwa 60 km Strecke führt uns von Sindou aus an den Felsnadeln vorbei auf der Route 28 in Richtung Banfora und nach etwa 2 Kilometern von dieser Piste schon hinunter und hinein in die Felder von Niofla. Die Baumwolle ist bereits abgeerntet und liegt am Rande eines der Felder zu einem großen Haufen aufgeschichtet, während die trockenen Stengel und Zweige der niedrig wachsenden Baumwollpflanze selbst noch auf dem Feld stehen. Reisfelder sind ebenfalls bereits abgeerntet und dennoch wirkt die Gegend bis zu den Felsen sehr grün.
Auf den schmalen Fahrwegen abseits der Piste ist der Boden lockerer, sandiger und das Radfahren fordert etwas mehr Konzentration. Die Landschaft ist wunderschön, die Sicht in die Ferne durch Dunst etwas eingeschränkt. Unser erstes Ziel für den heutigen Tag ist ein kleiner Stausee, ein Wasserreservoir, das der Versorgung eines Systems von Bewässerungsgräben dient, mit deren Hilfe eine gesicherte Landwirtschaft auf einer Fläche von etwa 10 km² ermöglicht wird.
Zu Füßen der aus groben Steinen aufgeschichteten Staumauer liegt ein weiteres kleines Dorf, aus dem einige Kinder die Schräge der Mauer hinaufgelaufen kommen, als wir oben auf der Krone anhalten und an einer freien Stelle den Blick über die Wasserfläche wandern lassen. Die Mauerkrone ist an den Rändern mit hohen Gräsern bewachsen aber zum Befahren mit den Rädern breit genug. Schon in eingen hundert Metern Entfernung zweigt von dem Wirtschaftsweg zwischen den Feldern ein Fahrweg ab, der schnurgerade auf die Staumauer zu und bald wie eine Rampe auf deren Krone hinaufführt.
In Richtung Tourny fahren wir dann in einem Bogen um einen Teil des Stausees herum und müssen dessen Zulauf, einen schmalen Flusslauf in einem relativ breiten Bett queren. Die sandige Piste wird dort normalerweise über eine Betonbrücke geführt, doch deren Stützen wurden während einer der letzten Regenzeiten offenbar derart stark unterspült, dass sie eingesunken sind und in der Folge die ganze Brücke eingestürzt ist. Durch eine kleine Furt, direkt neben der zerfallenen Brücke, kommen wir aber ohne Probleme auch mit den Rädern ans andere Ufer.
Die Landschaft wird hügeliger und die Strecke wird fürs Radfahren nun etwas anstrengender. Auch steht die Sonne jetzt am späten Vormittag schon wieder hoch am wolkenlosen Himmel. An einer Gabelung der rötlichen Piste sitzt zufällig eine Frau im Schatten eines Baumes und bietet ein paar Früchte zum Verkauf an. Wir fragen sie nach dem Weg, nicht ohne zuvor freundlich zu grüßen und uns nach ihrem Befinden zu erkundigen. - Bonjour - ça va?
Diese einfache Formel geht einem dutzende Male am Tag über die Lippen, praktisch bei jeder Begegnung. Eine kurze Begrüßung, um dem Gegenüber zu zeigen, dass man ihn/sie wahrnimmt und wertschätzt. In der jeweiligen regionalen Sprache bleibt es natürlich nicht nur bei dem kurzen Hallo - wie geht's? Man begrüßt sich richtig ausführlich: Wie geht es Dir? und wie der Familie? Wie der ersten Frau? und wie den Kindern? Wie ist die Aussaat gediehen? ist das Schaf trächtig? - Die Erkundigungen nach dem Wohlbefinden können weit ausschweifen. Es ist Teil des Miteinanders in der Gemeinschaft, denn das Leben ist hart und kann schnell vorbei sein. Ein schweigendes Nichtbeachten des Anderen, auch wenn man sich gar nicht näher kennt, gilt da als eine Missachtung der Persönlichkeit.
Hier eine Aufzeichnung der Strecke nach Tourny bei gpsies.com:
So wie das frühere Dorf Sindou zwischen den Felsnadeln lag und somit durch die Sandsteinfelsen abgeschirmt seinen Bewohnern Schutz vor feindlichen Angriffen gegeben hat, so zogen sich auch an anderen Orten der Region die Menschen in bestimmten Epochen in oder auf die Felsen zurück. Für die Felsen von Niansogoni, nicht weit von der Grenze zu Mali, etwa 40 km von Sindou entfernt, ist dies nicht nur überliefert, sondern lässt sich anhand der dort zurückgelassenen Hütten und Getreidespeicher sehr gut nachvollziehen. Die Lehmbauten sind eng an den Fels geschmiegt oder unter Überhängen versteckt und dienten etwa 300 Menschen als Bleibe und Lebensmittelpunkt.
Hier eine Aufzeichnung der Strecke nach Niansogoni bei gpsies.com:
In den Felsen lebten die Menschen geschützt vor Angriffen feindseliger Stämme, in einer Zeit, in der auch in Afrika eine große Völkerwanderung stattfand. Da es keine schriftlichen Überlieferungen gibt, ist der konkrete Zeitraum schwer zu datieren und nicht genau bekannt. Man lebte dort in einer Art von Hochtal, das wenige, aber gut kontrollierbare Zugänge hatte. Trinkwasser musste jedoch dort genauso hinein transportiert werden, wie Lebensmittel bzw. landwirtschaftliche Produkte.
In dem kleinen Campement am Rand des Ortes, fast unterhalb der Felsen gelegen, bleiben wir eine Nacht und fahren am drauf folgenden Tag auf einer anderen Strecke nach Sindou zurück. Es ist dies der beinah schönste Teil der gesamten Reise. Wir bleiben zunächst unterhalb der sich einige Kilometer durch die Landschaft ziehenden Felsen und fahren dann weiter in das flache Land hinaus. Hier gibt es viele Pfade, die sich irgendwo im Busch verlieren, teils besteht der Untergrund nur aus losem Sand und das Vorwärtskommen wird dadurch etwas erschwert. So genau wissen wir im Moment nicht, wie wir nach Kankalaba kommen. Von dort ist es bis Sindou ja nicht mehr weit. In dem kleinen Village Koko fragen wir nach dem Weg und bekommen für ein paar hundert Meter auch noch einheimische Begleitung, die uns in die richtige Richtung führt.
Wir folgen eine Weile einem etwas breiteren Fahrweg, der dann aber nach wenigen Kilometern zwischen Felsen wieder schmaler und sandiger wird. Unterwegs überholen wir zwei ältere Männer, die auf ihren Rädern in die gleiche Richtung fahren wie wir und die uns im Gegenzug etwas später auch überholen, während wir in dem dürftigen Schatten einer Mimose eine kurze Pause machen. Kurze Zeit später überholen wir sie wieder, denn die beiden kommen mit ihren einfachen Rädern ohne Schaltung nicht so schnell voran wie wir mit den unseren. Die beiden haben ihren Spaß mit unserer bunten Erscheinung. Jeden Tag treffen sie sicherlich auch nicht auf Toubabous, die sich mit Fahrrädern durch diese abgelegene Gegend des Landes bewegen. Wir fragen sie nach dem Wohin und auch ihr ZIel ist der Ort Kankalaba, bzw. der dortige Markt.
Auf eine tiefer gelegene Ebene, die von einem schmalen Wasserlauf durchflossen wird und in der grüne Wiesen und kleine Gemüsegärten für etwas Überraschung sorgen, folgt wieder eine Geländestufe mit vielleicht acht bis zehn Metern Höhenunterschied und einem weitaus trockeneren Plateau. Wir treffen hier auf eine Allee von alten Teakbäumen, die sicherlich vor ca. hundert Jahren von der ehemaligen Kolonialverwaltung angelegt wurde und deren inzwischen alt und weit gewordenen Baumbestand wunderbar als Schattenspender dient. Wofür die Straße einst gebraucht wurde, ist nicht so richtig offensichtlich, denn außer uns ist fast niemand hier unterwegs. Autos sehen wir keine.
In einem Dorf in der Nähe fragen wir nach Bananen, aber offenbar gibt es zur Zeit keine. Das Dorf umfasst nur eine überschaubare Anzahl von Lehmhäuschen und -hütten und viele kleine Vorratsbauten aus demselben Material, die allesamt konzentriert an einer Stelle des Dorfes stehen, als wäre es eigener Ortsteil.
Schließlich kommen wir ein paar Kilometer weiter in Niantono an einer Schule vorbei, an der die drei dort anwesenden Lehrer gerade ihre Mittagspause machen und sich von der guten Seele der Einrichtung bekochen lassen und obwohl wir zu acht nicht gerade wenige sind, werden wir dort eingeladen, das Gekochte zumindest zu probieren. Es gibt Maisbreifladen und eine Fleischsauce von Stachelschweinfleisch dazu und wir wollen uns als unerwartete Gäste ja nicht satt essen, aber das Mais-Tô schmeckt gut und eine kleine Portion davon im Magen zu haben, tut nach der bisherigen Strecke in der Mittagshitze schon ganz gut.
Es wundert uns etwas, dass es in der Schule verhältnismäßig ruhig bleibt, obwohl wir mit unseren Rädern weithin sichtbar über den weitläufigen Hof rollen. Die wenigen Kinder, die in den abgedunkelten Klassenräumen sitzen, machen lediglich ihre Hausaufgaben dort. Sie schauen zwar auch neugierig, aber es sind nicht viele Schüler, da heute ein schulfreier Tag ist, wie uns die Lehrer erklären, die sich offenbar auch um die Betreuung dieser Schüler kümmern. Es ist dies leider ein großes Problem, für viele Kinder, die kaum einen Tisch zum arbeiten im Haus ihrer Familie, schon gar kein ausreichendes Licht haben. Wir lernen, dass eigentlich alle Schüler dieser Schule (und für viele andere trifft dies auch zu) nur mit der Hilfe von Patenschaften aus dem Ausland die Möglichkeit für den Schulbesuch und manchmal eben auch das betreute Nachbereiten des Unterrichts außerhalb der Schule, manchmal in speziellen Internaten, haben. Organisationen wie Terre des Enfants in Sindou oder hier Grains des Sables kümmern sich um die Verbindung zwischen Europa und den Verantwortlichen vor Ort, die häufig sogar selbst die Initiatoren sind.
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