Südlich von Monterey und Carmel-By-The-Sea verläuft der California Highway 1 in Richtung Süden entlang einer felsig zerklüfteten und doch grünen Küste hoch in die Ausläufer des Pfeiffer Burns State Parks. Die Punkt-zu-Punkt-Strecke startet an der Big Sur Ranger Station schon früh am Morgen (6:45 Uhr), der Transport dorthin aber ist mit beinah unzählbaren Schulbussen bestens organisiert. Bis etwa 4:30 Uhr sollte man dafür in Monterey in die Schlange der Wartenden eingereiht haben.
Informationen über den LaufTjaa - war wunderschön. Die Strecke wie für einen Genießer-Marathon gemacht. Nicht einfach und flach, sondern geschwungen und leicht bergig, hauptsächlich entlang der Pazifikküste in den sanft ansteigenden Ausläufern des Los Padres Waldes und dem Pfeiffer Burns State Park geführt. Über die Lufttemperatur kann ich nichts sagen, bin bis etwa Meile 5 mit meinem Fleecepullover gelaufen und habe ihn dann erst weg geworfen. Aber da bin ich kein Maßstab, andere Läufer sind gleich in ihren dünnen Lauf-Shirts gestartet. Der Tag versprach, warm zu werden. Die ersten paar Meilen liegen aber noch im Schatten alter und hoher Bäume, da war es mir einfach zu kalt.
Es war ein wunderbares Erlebnis. Der Tag lieferte Sonne satt. Nach den ersten etwa 4 Meilen, wenn man aus dem mit Redwoods und Eukalyptus-Bäumen bewaldeten Teil herauskommt, gibt es nur noch wenig Schatten entlang der Strecke. Aber die Luft war anfangs noch kühl und später an zwei kürzeren Streckenabschnitten sogar stürmisch. Da kam der Wind ziemlich überraschend und heftig von vorn. Es hörte nach wenigen Kilometern genauso abrupt wieder auf.
Die Strecke von Big Sur Station rauf nach Carmel ist einfach wie für einen Marathon geschaffen. Nicht irgendeinen Marathon, wobei sich ja über Geschmack streiten lässt. War bisher die Strecke in Florenz mein Favorit, so ist es ab heute wohl diese Strecke in Big Sur. Auch wenn es die für mich bisher schwerste Strecke darstellt, noch vor Boston. Es sind eben doch mehr als nur ein langer Anstieg kurz vor der Streckenhälfte, die einen dann noch bis kurz vor dem Ziel fordern und daran erinnern, doch besser mit seinen Reserven hauszuhalten. Hab selten gesehen, dass so viele Läufer zum Ende hin gehen.
Zuschauer sucht man entlang der Strecke beinah vergeblich. Würde man sich die Mühe machen, sie zu zählen, dann bleibt die Zahl ziemlich klein. Dafür wird man von den Renn-Oberen beinah persönlich begrüßt und als eine nette Geste empfand ich es vom Race-Director, Mr. Kastner, als er sich im Vorbeifahren im Konvoi an dem Läuferfeld aus seinem VIP-Fahrzeug hinauslehnte - wir liefen gerade an der Steilküste zwischen grünen Weiden die teilweise mit diesen kleinen gelben Blumen bestanden sind, irgendwo um Meile 6 - und fragte die Läufer in seiner Reichweite: - so, what do you feel, know?
Ja, was fühlt man bei dieser beeindruckenden Kulisse, dem herrlichen Wetter und dem Ziel in noch weiter Ferne? Ich habe mich schlicht wohl gefühlt. Die Weite um mich herum ist eine einzigartige Laufkulisse, die jetzt nur vom Getrappel der vielen Läuferfüße beschallt wurde und den beinah regelmäßig platzierten Musikern oder Bands entlang der Strecke. Und davon hat es erstaunlich viele.
Neben dem Mann am Flügel, Mr. Martinez, am Rand der 1932 errichteten Bixby Bridge, die allein schon für sich eine Reise in diese Gegend wert ist. So schön, so wild gelegen. Man hört ihn schon eine gute halbe Meile vorher, wenn man kurz hinter dem Hurricane Point nach einer Biege zum ersten Mal die Brücke weit vor sich in der Tiefe liegen sieht. Wenn man dann noch Glück hat, dann spielt er während man auf die Brücke zu läuft einen der Klassiker aus 'Rocky', aus der Szenensammlung, in der Rocky Balboa wie ein Berserker trainiert, um noch einmal zu gewinnen. Die Situation, hier in dieser Landschaft und bei solcher Musik über die Brücke zu laufen, hat schon etwas Kitschiges, aber ist auch soo schön, dass es den ganzen Aufwand des Marathons lohnt.
Der sich über zwei Meilen hinziehende Anstieg hinauf zum Hurricane Point vorher bis Meile 12 war dann schon längst wieder vergessen. Etwa 160 Meter muss man auf diesem Stück überwinden, danach läuft man die nächste Meile wieder bergab. Das ist für mich der schönste Abschnitt der Strecke, weil der Blick über die vor dir im leichten Dunst der Pazifikluft liegenden grünen Hänge mit den vielen felsigen Einschnitten ein hübsches Bild abgeben, dass durch verschiedene Betrachtungswinkel beim Näherkommen immer leicht variiert, aber vorläufig nicht verschwindet. Die erst fernen, aber ja langsam immer näher kommenden Klavierklänge runden dieses Bild und prägen es dir tief ein. Runners High schon nach halber Strecke: ein unbeschreibliches Gefühl.
Die Strecke bleibt aber nach dem tief liegenden Punkt an der Bixby Bridge nicht eben. Es folgen zwar keine langen Anstiege mehr, dafür wird mein Durchhaltewillen durch die wellige Straßenführung sehr auf die Probe gestellt. Irgendwann schmerzt mir die rechte Ferse und die daran gespannte Achillessehne und ich lege nach den späteren Verpflegungsstellen auch Gehpausen ein - schon ungewöhnlich. Aber ich will den Lauf ja genießen und nicht auf irgendeine Zeit hinarbeiten.
Südlich vor Carmel, am Point Lobos, stehen dann doch auch Leute an der Strecke, die motivieren. Da ist es wieder, das Gefühl, hier doch nicht für mich allein zu laufen. Die Anfeuerung ist herzlich und gilt jedem einelnen Läufer. Egal ob grimmig dreinschauend oder glücklich lächelnd, weil diese Strecke hier an der kalifornischen Pazifikküste ein so die Emotionen aufrüttelndes Gesamterlebnis ist.
So bleibe ich am Ende noch knapp unter viereinhalb Stunden Laufzeit.
000707 | Kontakt | Startseite | Blog | letzte Änderung: 30.05.2010 © Christian Drews