23. Brüder-Grimm-Lauf - Ein Etappenlauf über 82 km - 8.-10.6.2007

Brüder Grimm Lauf

Unter den vielen, vielen Volks- und Stadtläufen, die über das Jahr verteilt im Lande organisiert werden und stattfinden gibt es auch einige mehr oder weniger bekannte Kleinodien. Der Syltlauf zählt sicherlich dazu, der Berliner Havellauf, der Celler Wasa-Lauf und mit Sicherheit auch der Brüder-Grimm-Lauf. Dieser Lauf ist nicht eine einfache Start-Ziel-Veranstaltung, sondern ein Fünf-Etappen-Lauf, der auf drei Tage verteilt knapp 82 Kilometer pures Laufvergnügen bietet. Sommerliches Wetter inklusive.

Das Starterfeld ist auf 500 Teilnehmer begrenzt, wobei auf einzelnen Etappen auch mal ein paar Teilnehmer mehr gestartet werden. Der Veranstalter bietet die Möglichkeit, in den Turnhallen der jeweiligen Zielorte zu übernachten. Denn häufig ist das Etappenziel ein Sportplatz mit angeschlossener Halle am jeweiligen Ort, oder einfach nur eine Halle ohne Sportplatz, wie z.B. in Wächtersbach (Ziel der Etappe 4). Wer jedoch einmal eine unruhige Nacht mit Dutzenden anderer Sportler in einer hellhörigen Halle verbracht hat, verzichtet gerne darauf. Für sieben neugierige Langstreckensportler aus Berlin, mit denen ich im Juni 2007 hierbei mitgelaufen bin, bot sich jedenfalls Bad Orb als Quartier während des Wochenendes an, da von hier aus alle Startorte schnell mit dem Auto zu erreichen sind und die letzte Etappe direkt vor der Hoteltür startet. Oberhalb des Kurparkes liegen hier verschiedene kleinere Hotels mit gutem Frühstücksangebot und teils großen aber preiswerten Zimmern.

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23. Brüder-Grimm-Lauf, 8. bis 10. Juni 2007

Gestartet wird in der Geburtsstadt der Brüder Grimm, in Hanau auf dem Markt, Freitagabend um 17.30 Uhr. Der Zieleinlauf der letzten Etappe liegt dann nach etwa 82 Kilometern Laufstrecke auf dem Marktplatz von Steinau a. d. Strasse, wo die Brüder Grimm einen Großteil ihrer Jugend verbracht haben. Die dazwischen liegenden Etappen markieren einen Teil ihres Lebens- und Schaffenswegs, führen über Rodenbach, Hasselroth, Gelnhausen, Wächtersbach, Bad Orb und Salmünster nach Steinau, und bieten flache Passagen, kilometerlange Anstiege und Gefälle, Asphaltbelag, Waldboden und Schotterpiste, offene Flur und schattigen Wald. Kurz: fünf Läufe, die abwechslungsreicher kaum sein können und die bei der 23. Auflage die zentralen Punkte eines wunderschönen Laufwochenendes markiert haben.

Am Freitagnachmittag holen wir völlig unkompliziert die Startnummern im Bürgeramt, in der Nähe des Marktplatzes von Hanau, ab. Voller Erwartung auf die bevorstehenden Etappen, und durch die viel zu intensive Nachmittagssonne schon voller Euphorie, bereiten wir anschließend uns auf den Start am Spätnachmittag vor. Eine Möglichkeit zum Umziehen und zum Parken der Autos gibt es hierbei in bzw. unter der etwa 500 Meter entfernten Main-Kinzig-Halle. Am Marktplatz selbst gibt es kaum Schatten, die Läufer stehen daher bis kurz vor dem Start dicht zusammen unter den wenigen vorhandenen Bäumen oder an den Aussenwänden des Rathauses. Ein lustiger Anblick.

Vor dem Start

Nur wenige Sportler laufen zum Aufwärmen ihrer Muskulatur im lockeren Trab um den großzügigen Platz herum. In der Mitte des Marktplatzes formiert sich das Starterfeld dann auch erst kurz bevor es tatsächlich losgeht.

Etappe 1

Es ist dies der erste Hochsommertag des Jahres, ein Thermometer auf dem Platz zeigt bereits 35° im Schatten. Ein Moderator gibt sich professionell und alle Mühe, uns die Wartezeit bis zum Startsignal zu verkürzen. Leider gibt es keine Wasserversorgung am Start. Ich versuche, nachdem ich selbst zwei bis drei Aufwärmrunden um den Platz absolviert habe, meinen Kopf an einem Brunnen vorzukühlen, der am Rand des Platzes gegenüber einem McDonalds-Schnellversorger steht und an dem Kinder mit dem Wasser spielen. Aber der Brunnen gibt offenbar nicht ständig Wasser ab, denn als ich meinen Kopf in den Wasserlauf halten möchte, ist der plötzlich versiegt. In der Toilette, der unter dem Marktplatz liegenden Tiefgarage, tut es dann auch ein einfacher Wasserhahn. So vorgekühlt und mit nassen Haaren kann es losgehen.

Beinah vorsichtig nehmen die knapp über Fünfhundert ihre Startaufstellung ein. Einzelne Favoriten und Wiederholungsläufer werden persöhnlich vorgestellt, eine telefonische Verbindung zum Ziel der Etappe wird hergestellt, und um 17:30 Uhr setzt sich dann das Starterfeld in Bewegung. Ganz plötzlich natürlich. Mit einem Schlag ist die Sonne, sind die übertriebene Wärme und das langweilige Warten vergessen. Jippiiee, es geht los! Die Strecke führt diagonal über den Marktplatz und den anschließenden Innenstadtbereich Hanaus und bereits nach etwa eineinhalb Kilometern aus dem Ort hinaus. Die Sonne brennt weiter unerbittlich an diesem Spätnachmittag, und doch komme ich schnell auf Tempo.

Frei zu laufen, aus einem kleinen Ort wie Hanau heraus zu starten und in die Weite der Felder und Weiden einzutauchen, ist das erste und lang anhaltende Highlight des Wochenendes. Die Freude über eine schöne Strecke währt aber zunächst nur kurz, denn wir laufen bald entlang der Bundesstraße B8 und erst nach drei Kilometern zeigt mir eine Streckenmarkierung, dass ich viel zu schnell für meine Verhältnisse gestartet bin. Zu schnell für die Nachmittagshitze und auch zu schnell für den Auftakt zu diesem insgesamt 82 Kilometer langen, Kräfte zehrenden Etappenabenteuer. Nach zwei, spätestens drei Kilometern hätte ich zudem einen Verpflegungspunkt, Wasser oder ähnliches erwartet, aber es kommt nichts dergleichen. Nach vier Kilometern und dem inzwischen nervenden Bundesstraßenabschnitt links neben der Laufstrecke immer noch kein Wasser.

Verpflegungsstelle

Inzwischen führt die Strecke über die A66 und jetzt weiter entlang der B40. Das macht keinen großen Spaß mehr, denn ich habe mehr Wald, mehr Natur, zumindest aber eine abwechslungsreichere Streckenführung erwartet. Ich versuche, das Tempo etwas heraus zu nehmen, denn auch nach fünf Kilometern ist kein Wasser in Sicht, um meine Wärmeentwicklung etwas zurückzuziehen. Aber ich bin längst 'eingelaufen' und es gelingt mir auch gar nicht so recht, langsamer zu werden. Die beiden Weiher an denen wir zwischen den Kilometern Drei und Vier vorbeilaufen bringen auch nur gedanklich eine Abkühlung. Erst nach sieben Kilometern und reichlich einer halben Stunde aufheizenden Laufens, taucht an der Strecke ein Pulk mit in roten Veranstalter-T-Shirts gekleideten Menschen auf, die Wasser und Schwämme reichen.
Dahinter ein Löschfahrzeug der Feuerwehr mit einer improvisierten Dusche, die uns Läufer und die Strecke berieselt. Solche Abkühlung ist sonst nicht mein Ding, aber hier nehme ich das Angebot gerne an. Das Wasser ist kalt und die erste so lang ersehnte Erfrischung. Hier löst sich die Strecke auch endlich von der dicht befahrenen Überlandstraße und es geht nun durch Getreide- und verblühte Rapsfelder und nach zehn Kilometern auch endlich in ein Waldstück hinein, mit kühlerer Luft und Schatten. Jetzt wird das Laufen wieder angenehm, die Strecke bleibt flach und führt bis zum Ziel am Rande von Nierrodenbach durch einen Ausläufer des Spessart. Was diese Laufstrecke mit Grimms Märchen zu tun hat? Zumindest ist Hanau die Geburtsstadt der Brüder Grimm und diese Etappe zu deren Ehren nach dem Märchen 'Rotkäppchen' benannt. Allerdings ist ausser einem verfallenen viereckigen Turm im Spessart ist nichts märchenhaftes an der Strecke zu finden.

Nach der ersten Etappe

Nach den rund 15,7 Kilometern in der abendlichen Hitze sind die negativen Eindrücke der Etappe rasch wieder vergessen. Hier gibt es Tee, Wasser, Bananen, erschöpfte und zufriedene Gesichter und einen gepflegten Rasenplatz gleich neben der Turnhalle. Ideal zum Auslaufen und Entspannen der Füsse, und nachdem auch meine Mitläufer alle im Ziel angekommen sind, laufen wir barfuß noch ein paar Runden über den angenehm kühlen Rasen. Erst spät, nach ausgiebigem Duschen und Nudeln mit und ohne Soße, die hier nicht von der Vereinsbewirtschaftung der Halle sondern freiwilligen Unterstützern des Brüder-Grimm-Laufs angeboten werden, finden wir auch noch den letzten Shuttle-Bus, der uns nach Hanau zurückbringt.

Etappe 2

Start zur zweiten Etappe ist um 9:30 Uhr an der selben Stelle, an der gestern bereits die Ziellinie markiert war. Als würde der Lauf nahtlos weitergehen, erscheint der Himmel in der klaren Morgenluft, die von der früh schon hoch stehenden Sonne aufgeheizt wird, so blau wie beim gestrigen Zieleinlauf. Es sind früh um 9:00 Uhr schon knapp 28°C im Schatten. Wir starten jedoch in der direkten Sonne und das sich rasch auseinander ziehende Starterfeld dreht zunächst einige Schleifen in Niederrodenbach, bevor eine kurze Waldpassage für mehr Schatten sorgt. Die erste Verpflegungsstelle steht bei dieser Etappe bereits nach nicht ganz fünf Kilometern in Oberrodenbach. Allerdings ist die Strecke bis hierher schon deutlich welliger, als die erste Etappe und beginnt bald mit stärkeren Anstiegen. Nicht besonders fordernd, nur zur Erinnerung daran, dass der Spessart durchaus auch zu den kleineren Mittelgebirgen gezählt werden kann. In Oberrodenbach zieht die Strecke noch eine Schleife über etwa 1,5 Kilometer, die auch kurze, steile Anstiege beinhaltet, und taucht dann für längere Zeit in einen Waldabschnitt ein. Hier ist die Luft noch deutlich kühler und läuft es sich angenehm, auch wenn sich hier der bisher steilste Abschnitt verbirgt.
Ab Kilomter Achteinhalb geht es dann aber nur noch abwärts. Zunächst mit moderatem Gefälle, dann über fast zwei Kilometer Länge zu steil für meine Kniegelenke, um das Tempo zu halten oder gar auszubauen. Die Strecke führt jetzt auch wieder aus dem Wald heraus. Weit und offen liegt die Landschaft vor mir und es macht einfach Spaß, durch die noch überwiegend grünen Felder zu laufen. Das sommerliche Wetter wird das Getreide erst in den nächsten Tagen und allmählich verfärben. Inzwischen zieht es mir leicht in den Oberschenkeln, denn über mehrere Kilometer nur abwärts zu laufen, das ist ungewohnt für mich und belastet die weniger trainierten Oberseiten der Muskulatur.

Die Strecke führt auf den kleinen Ort Gondsroth zu und ab etwa Kilometer Elfeinhalb einigermaßen flach und in Richtung Neuenhaßlau weiter. Eigentlich wäre hier ja längst Schluss, denn die Veranstalter geben für diese Etappe etwa zwölf Kilometer an. Der auch am Start dieser Etappe uns freundlich unterhaltende Moderator relativierte die Streckenlänge bereits auf 13 Kilometer, aber auch nach der Markierung für Kilometer 13 ist das Ziel noch lange nicht in Sicht. Erstaunlich, wie locker dies hier gehandhabt wird.
Der Eindruck, dass es sich bei der Veranstaltung um eine beinah familiäre Angelegenheit handelt, den bekommt man ja schon beim Abholen der Startnummern in Hanau. Der Zieleinlauf hier, bei der zweiten Etappe, strahlt auch eine gewisse Gemütlichkeit aus. Leicht abschüssig läuft die Strecke durch das aufgestellte Zieltor, und führt im Auslauf, in der Kurve einer Seitenstraße, direkt auf den Verpflegungsstand zu. Der liegt zwar nicht im Schatten, bietet aber all das, was wir Läufer nach dem Lauf benötigen: Wasser, Tee, Bananen und gegenüber noch eine kleine Rasenfläche, auf der mit einem unter kräftigem Druck stehenden Gartenschlauch das Wasser eimerweise gezapft wird. Das Wasser ist herrlich kühl und eine kurze Dusche unter dem kräftigen Wasserstrahl macht zwar auch die Umstehenden etwas nass, tut aber nach der Stunde Anstrengung nur gut.

In der Pause

Duschen und Ausruhen können wir in der etwa 200 Meter entfernten Sporthalle des Ortes, es bleiben uns etwa sechs Stunden Zeit zur Regeneration. Da an diesem Samstagvormittag bestes Sommerwetter auf uns herabscheint, breiten wir uns ausserhalb der Halle aus. Die Laufkleidung kann in der Sonne trocknen und wir Läufer uns im Schatten der Bäume am Rand der Wiese ausstrecken. Leider bleibt es nicht so. Über den Nachmittag ziehen gewaltige Gewitterwolken heran, verschonen uns aber weitestgehend. Lediglich etwas schwacher Regen zwingt uns unter eine Überdachung an der Halle. Etwas hart ist der Untergrund und sehr eng wird es nun auch, aber wir bleiben im Freien und faulenzen bis zum nächsten Start am frühen Abend. Nebenbei wird hier auch für eine gute Verpflegung mit Nudelsuppe, vielen leckeren Kuchen und Kaffee gesorgt. Den Damen (siehe in der Fotostrecke) macht diese einfache Art der Versorgung auch sichtlichen Spaß.

Etappe 3

Schließlich ist die Zeit für den Start zur dritten Etappe heran. Das Startbanner wurde in der Nähe der Turnhalle über die kleine Straße eines Neubaugebietes am Rande von Neuenhasslau gespannt. Die Anwohner schauen neugierig aus ihren teilweise noch nicht umzäunten Grundstücken heraus und lauschen dem anhaltenden Redeschwall des Sprechers, der hier offenbar unermüdlich seinen Job erfüllt. Der Regen hat sich inzwischen vollständig verzogen, doch die Wolken ziehen weiter geschlossen über den Himmel und halten den Nachmittag in einem grauen Licht. Schwülwarm ist es dennoch, bei etwa 25°C. Kurz vor dem Start drehe ich noch eine Aufwärmrunde zurück zur Halle, halte zweimal meinen Kopf unter einen Wasserhahn, bis sich der Kopf kühl genug anfühlt und laufe noch einen kurzen Umweg zurück zum Start, um mich seitlich und nur wenige Meter hinter der Startlinie in das Feld einzuordnen. Es hat sich gezeigt, dass ein Start mit den schnelleren Läufern im forderen Fünftel für mein Leistungsvermögen optimal ist, um unter den ersten 100 ins Ziel zu laufen. So auch nach dem Start hier, der uns nun um 16:30 Uhr zum zweiten Mal an diesem Tag in Bewegung bringt. Ich lasse es verhältismäßig ruhig angehen, Stefan und auch Michaela sind schnell vorweg, viele andere Läufer überholen mich. Die schwüle Luft macht sich sofort als zu warm bemerkbar und ich will nicht von Anfang an ein hohes Lauftempo aufnehmen, denn diese Etappe wird die bisher längste und sie wird genauso uneben sein, wie die zweite Etappe.

Lange hält die Zurückhaltung aber nicht vor, denn bei der feuchten Luft, auch wenn es recht warm ist, läuft es sich doch angenehm, und bevor wir nach etwa zwei Kilometern in einen kurzen Waldabschnitt eintauchen, bin ich schon massiv dabei, zu überholen. Neben dem Pfad, auf dem unebenen Gras, denn damit habe ich keine Probleme. Offenbar im Gegensatz zu einigen anderen Läufern, die schon mit dem hier etwas schmalen Pfad selbst ihre Schwierigkeiten haben und das Tempo leicht reduzieren.
Es bleibt leider nur ein kurzes Stück Weg, das durch Wald führt und wir rennen weiter über die zunächst noch flache Flur. Diese Nachmittagsstrecke läuft sich aber richtig gut. Und wenn ich auch an der Turnhalle in Neuenhasslau nicht wirklich geschlafen und regeneriert habe, so fühle ich mich in der feuchtwarmen Luft nach den ersten Kilometern doch noch erstaunlich frisch.

Nach etwa sechs Kilometern befinden wir uns bereits mitten im ersten längeren Anstieg dieser Etappe. Es ist nicht sehr steil, aber auch nicht so einfach wegzustecken. Ich versuche einfach, mein Tempo zu halten und nicht gegen den Berg zu kämpfen, andere gehen zu einem kürzeren Schrittmaß über. Ich freue mich über den Verpflegungsstand am Ende der Steigung und nehme nur im Augenwinkel wahr, dass an einem kleinen Platz gleich neben der Strecke, der zur Zeit aktuelle geografische Mittelpunkt der Europäischen Union mit einigen Europaflaggen markiert ist. Für die Stadt Gelnhausen ist dieser Ort von großer touristischer Bedeutung, jedenfalls wird er entsprechend beworben, für uns Läufer ist es eine Markierung mehr entlang unserer Strecke, die sich aufgrund der Beflaggung einprägt. Es folgt eine flache Passage zur Entspannung bevor es die nächsten zweieinhalb Kilometer weiter aufwärts geht - bis zum Rauenberg, der größten Erhebung während dieser Etappe.
Danach geht es zwar in der Hauptsache abwärts bis auf das Ausgangsniveau, aber dieses kilometerweite Bergablaufen bedarf auch einiger Übung und trainierter Oberschenkel. Ich bin jedenfalls noch nicht daran gewöhnt und versuche, eher zu bremsen als hier alles zu geben. Das ist natürlich schade, denn hier geht es immerhin über rund drei Kilometer bergab, und da könnten noch einige Sekunden zu holen sein.

Zum Ende hin wird die Strecke wieder etwas unebener und sie zieht sich lang hin, bis sie endlich nach Gelnhausen hineinführt. Nein, nicht in die Stadt hinein, wir berühren zunächst nur den südlichen Teil, unterqueren eine Bahntrasse, kommen an einem mittelalterlichen Hof vorbei und laufen schließlich noch etwa einen Kilometer parallel zur Kinzig, bevor es in einem langen Bogen endlich auf das gelnhäuser Stadion zugeht. Zieleinlauf am Ende der Tartanbahn; Klasse, so macht es Spaß.

Etappe 4

Eine Nacht ist natürlich keineswegs eine ausreichende Zeit zur Regeneration nach bereits drei absolvierten Läufen über 14 bis 17 km durch die Lande. Entsprechend müde ist inzwischen die Beinmuskulatur und unwillig sind die Gelenke.
Der Start für heute morgen ist am Untermarkt in Gelnhausen, liegt aber keineswegs am tiefsten Punkt des Ortes, sondern mitten in der Altstadt, auf halber Höhe des Hanges an dem die Stadt errichtet wurde. Es gibt hier, wie bei den drei vorhergehenden Etappen auch schon, keine eigens für uns Läufer eingerichteten Toiletten. Was am jeweiligen Startort an öffentlichen WCs vorhanden ist, sei es in den jeweiligen Turnhallen oder (wie in Hanau) in einer nahegelegenen Tiefgarage, muss reichen und so ist vor jedem Start immer irgendwo noch eine Warteschlange auszumachen. Hier in Gelnhausen in einer Seitengasse des Untermarktes. Es gibt aber nie wirklich einen Engpass vor den Etappen.

Gelnhausen Markt

Mit dem Start heute um 9:00 Uhr beginnt auch gleich der Anstieg. Zunächst nur für ein paar hundert Meter durch die Altstadt Gelnhausens, rund um die mittelalterliche Marienkirche. Dann führt die Strecke schnell aus der Stadt hinaus, bevor nach etwa einem Kilometer dann der Daueranstieg bis etwa Kilometer 11,5 beginnt. Eine Strecke, bei ich überhaupt nicht auf mein Lauftempo komme. Es ist vorwiegend bewölkt, aber recht schwül, nach etwa drei Kilometern taucht das Läuferfeld in den Stadtwald Gelnhausens ein. Dies ist auch die bisher grünste und theoretisch schattigste Etappe, aber die Sonne hält sich am heutigen Vormittag lange zurück, sie drückt erst zum Ende des Laufes durch die Wolken. Für mich sehr auffällig, sind in der feuchtwarmen Luft während dieser Etappe die verschiedensten Gerüche auszumachen. Neben dem Duft von frischgeschnittenem Gras einer Weide und Dung aus der Landwirtschaft, neben sonntäglichem Grillgeruch dringt auch von irgendwoher der Duft von Beerenobst in meine Nase. Als hätte jemand in der Nähe der Laufstrecke Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren verarbeitet. Vermutlich aber ist hier eher ein unbewustes Wunschdenken die Ursache. Nach einem kurzen Intermezzo über offene Felder am nördlichen Rand von Gelnhausen folgt ein kurzer, steiler Anstieg bis zum ersten Verpflegungspunkt. Frenetisch werden wir hier von den engagierten Helfern und einigen Zuschauern empfangen. Ab hier ist kurzes Verschnaufen auf gleichbleibender Höhe möglich, für einige hundert Meter. Es geht nun dauerhaft auf Waldwegen weiter und, das Auge läuft ja mit, die Strecke führt durch einen wunderschönen Abschnitt des hessischen Spessarts. Noch bis knapp über Kilometer sechs wird weiter aufgestiegen, dann lassen sich die Beinmuskeln auch wieder etwas ausschütteln, denn es geht über die nächsten 1,5 Kilometer wieder rund 60 Meter abwärts. Und der lange Aufstieg steht dann immer noch aus. Diese 60 Meter plus rund 100 Meter müssen wir bis weit hinter Kilometer 11 wieder hinauflaufen. Für eine Gebirgsgemse kein Problem. Für uns durch den eher flachen Grunewald in Berlin verwöhnte Läufer ist diese vierte Etappe auch die Königsetappe. Zwischendurch bemüht sich auch der Himmel, mit etwas Nieselregen die Anstrengung zu lindern. Aber tapfer laufe ich kontinuierlich aufwärts bis zu dem 'Vier Fichten' genannten Höhepunkt des gesamten Brüder-Grimm-Laufs. Ab jetzt geht es nur noch abwärts, aber auch das ist ein nicht zu unterschätzendes Laufen am Limit. Die Oberschenkel und auch die Kniegelenke müssen hier über fünf Kilometer lang Lastwechsel ertragen, die ich in diesem Umfang nie trainieren konnte und die schon bald die Muskeln ziehen und schmerzen lassen. Kurze, schnelle Schritte sind das Mittel zur Kompensation der ungewohnten Bewegung, aber nicht die schnellste Form des Abwärtslaufens. Andere Sportler ziehen mit weiten Schritten an mir vorbei, eine kurzgewachsene Läuferin mit noch schnellerem Schritt ebenfalls. Schließlich empfängt uns warmer Sonnenschein am Ortseingang von Wächtersbach, den schönen Wald verlassen wir nun endgültig. Durch den kleinen Ort zieht sich die Strecke nicht mehr sehr lang. Nur noch rollen lassen, über die langgezogene Wittgenborner Straße in den Ort hinein, über Obertor, Marktplatz und Untertor zur Poststraße, hier noch etwa 250 Meter, dann abbiegen auf den Parkplatz vor der Sporthalle der Gesamtschule - Ziel. Unspektakulär, und nach einem Becher Tee und einer Banane ist die Erholung schnell zu spüren. Eine Stunde 23 für die etwa 16,8 km und 'nur' Platz 118, hier wär wohl auch mehr drin gewesen, wenn, ja wenn.. Aber egal, es war ein sehr schöner Lauf heute Vormittag, und völlig ohne Respekt vor der Strecke in eine schwierige Etappe zu starten, kann auch nach hinten losgehen.

Zieleinlauf

Nach dem Auslaufen auf einer kleinen Wiese neben der Sporthalle und dem erfrischenden Duschen lassen wir uns mit dem Shuttle-Bus zurück in das inzwischen sonnenüberflutete Gelnhausen fahren und für eine gemütliche Stunde in einer Trattoria am Untermarkt zu Pasta und Salaten nieder.

Etappe 5

Nur etwa eine halbe Stunde Zeit blieb noch zum Ausruhen in der Horizontalen im Quartier. Dann ging es wieder raus aus dem Hotel, hinaus in die Wärme. Der Weg von unserem Quartier bis ins Zentrum von Bad Orb beträgt aber nur etwa einen halben Kilometer, wir können also bequem dorthin laufen. Es ist allerdings schon wieder sehr warm in der nun ungedämpften Nachmittagssonne - knapp über 30 Grad - so dass wir liebend gerne irgendwo im kühlen Schatten bleiben würden. Letzte Etappe, die Beine sind müde, aber die noch unbekannte Strecke reizt mich. Gleich zu Anfang soll den Beschreibungen nach der Hammer mit einem steilen Anstieg über mehr als einen Kilometer Länge warten. Wie komme ich damit zurecht? Wie läuft sich der eher flache Rest der Strecke bei der nun wieder zunehmenden Hitze? Ruhig bleiben und zunächst im Schatten der Bebauung von Bad Orb diese Etappe auf mich zukommen lassen. Wasser trinken, entspannen. Zweimal stelle ich mich auch in die Warteschlange vor dem öffentlichen Klohäuschen am Rande des Kurparks. Die Leute sind hier gesittet wie bei den bisherigen Etappen und der geringe Andrang rechtfertig offenbar den Verzicht der Veranstalter auf das Aufstellen von Miet-Toiletten. Die Startaufstellung geht bei dem heissen Wetter ganz schnell vor sich, die etwa 500 Starter brauchen dafür keine 2 Minuten. Schnell noch den Kopf unter einen der Springbrunnen am Platz gehalten, und es kann losgehen. Es ist 15:30 Uhr und wie am Freitagabend schon startet der Tross in ein sonnenüberflutetes Laufabenteuer aus dem Herzen eines kleinen Ortes im Spessart. Hierbei gent es um eine Strecke nach Steinau über rund 18 Kilometer, die weitgehend über Felder und entlang der Kinzig geführt ist und nur wenig Schatten für die Läufer liefert. Man könnte gleich vom Start weg Tempo machen, denn es geht ein paar Meter abwärts durch das Orber Zentrum und vorbei an dem kleinen Bahnhof. Die Freude über den verhältnismäßig leicht zu laufenden Auftakt der Etappe währt jedoch nur kurz. Nach gerade mal eineinhalb Kilometern kommt der heftige kurze Anstieg um etwa 140 Höhenmeter.

Gleich geht es weiter

Das letzte Steilstück auf den insgesamt rund 65 Kilometern der letzten vorher gelaufenen Etappen. Der Schritt wird langsamer, fällt schwer, aber ich versuche, meinen Laufrythmus zu halten. Die Beine haben nur noch wenig Kraft und schmerzen inzwischen in den Oberschenkeln. Schon vom Start weg war ich mit einem Schnitt von ungefähr 5:30/km ziemlich langsam unterwegs, jetzt am Berg lasse ich weiter nach, auf knapp über 6 Minuten/km. Der Aufstieg zieht sich über 1,5 Kilometer hin aber kommt mir endlos vor. Ich versuche, mit schnellem Gehschritt das Tempo zu halten, stelle aber fest, das ich langsamer werde. Also weiter im leichten Trab. Erst kurz vor der Kuppe wird der Weg von Bäumen gesäumt, die etwas Schatten spenden. Dann geht es über etwas mehr als einen Kilometer durch ein Waldstück und so steil wie es hinauf ging, geht es auch wieder abwärts. Die Laufstrecke führt dann auf die Autobahn A66 zu und überquert sie in einer Schleife, die auch ein kurzes Stück entlang einer Landesstraße direkt neben der Autobahn führt. Das macht in der Hitze keinen Spaß und die Motivation ist an dieser Stelle bereits so schwach, dass ich hier eher etwas Tempo herausnehme und auch einem Überholversuch in diesem etwas engen Bereich keinen Widerstand leiste. Die Strecke wird schon nach knapp 300 Metern von der Straße weg und über die freien Flächen entlang der Kinzig geführt. Ich laufe durch Salmünster und durch Bad Soden und lange Zeit ist kein Schatten in Sicht. Die Strecke verläuft nicht ganz gerade, hin und wieder werden Haken um 45 oder 90 Grad geschlagen, und an den Eckpunkten stehen vereinzelte Zuschauer, teilweise auch kleine Verpflegungsstände verschiedener Teams, die uns Läufer anfeuern und uns das Gefühl geben, doch nicht nur für uns selbst zu laufen. Bei dieser Etappe kommt mir die Erkenntnis, dass ich für Läufe in der Hitze durchaus geeignet bin. Es ist zwar keine wirkliche Lust mehr vorhanden, es macht einfach keinen großen Spaß, über das offene, flache Land zu laufen, aber ich lasse auch nicht merklich nach. Nach etwa 11 bis 12 Kilometern Strecke ziehe ich mein Tempo ganz allmählich wieder an.

Urkunde

Es geht langsam auf die Kinzigtalsperre zu und in der Nähe des Wassers, parallel zur Deutschen Märchenstraße, liegen etwa zwei Kilometer der Strecke teilweise im Schatten. Hier steigt das Gelände auch noch einmal sacht an, das ist zu spüren, aber das motiviert auch zusätzlich, diese Etappe und damit den ganzen Lauf endlich abzuschließen. Längst ist die gedachte 75km-Marke überschritten und das Tempo wird nun nicht mehr zurückgenommen. Jetzt kurz vor dem Schluss sammle ich doch noch einige Läufer ein, überhole sie emotionslos. Bei der Hitze zählt nur der eigene Schritt und das gute Gefühl, auch die letzten zwei oder drei Kilometer bis zur Ziellinie gut zu überstehen. Der Zieleinlauf liegt inmitten der kleinen Altstadt Steinaus und ist schon von weitem zu hören. Klasse! - Diese drei Tage Laufen ohne nennenwerte Regeneration zwischen den Etappen finden ihren Abschluss, noch wenige Meter und es ist Geschichte. Mein erster Brüder-Grimm-Lauf: Überstanden, zufrieden, müde, völlig nass vom eigenen Schweiß und dem vielen Wasser, das ich mir an jedem Getränkeposten hauptsächlich über Kopf und in den Nacken gegossen habe. Das Ziel erreicht, und so schnell komme ich nicht zur Ruhe. Stefan wartet schon etwas entspannter, er hat heute noch einmal 2,5 Minuten Vorsprung herausgearbeitet, Bernd wartet unter den begeisterten Zuschauern kurz hinter der Ziellinie.

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